Vor dem Agenturmodell gab es im Autohandel das klassische Vertragsmodell: Der Händler kauft vom Hersteller ein Kontingent an Fahrzeugen und verkauft diese seinerseits an die Endkunden weiter. All das auf eigene Rechnung – und eigenes Risiko. So funktionierte es in den meisten Fällen seit mehr als hundert Jahren, bis im Jahr 2020 Corona über die Welt hereinbrach. Der Fahrzeughandel geriet in gehörige Schieflage, als der Absatz einbrach und die Händler auf ihren Lagerbeständen sitzen blieben. In der Branche begann man, althergebrachte Vorgehensweisen zu überdenken und setzt seither vermehrt auf das Agenturmodell.
Wie funktioniert das Agenturmodell?
Vereinfacht gesagt ändert das Agenturmodell die Rolle des Autohändlers. Statt einen Bestand zu verkaufen, den er zuerst selbst auf eigene Rechnung erworben hat, agiert er nun als Vermittler zwischen Hersteller und Endkunden. Umsatz und Gewinn generieren sich nicht mehr aus den An- und Verkaufspreisen. Stattdessen erhält der nunmehrige Agent für einen erfolgreichen Abschluss eine zuvor festgelegte Provision.
In der Realität muss allerdings differenziert werden, ob es sich um ein echtes oder ein unechtes Agenturmodell handelt. Davon hängt auch ab, welche Vorteile und insbesondere welche Nachteile das Modell mit sich bringt.
Vorteile des (echten) Agenturmodells
Aus der veränderten Rolle des vormaligen Verkäufers ergeben sich mehrere Vorteile:
Reduktion des wirtschaftlichen Risikos: Für den Händler reduziert sich das wirtschaftliche Risiko. Es entfällt die Vorfinanzierung der Fahrzeuge, die er später verkaufen will. Die Gefahr, sich zu verkalkulieren, besteht damit nicht mehr.
Lagerbestand: Mit dem Wegfall der Notwendigkeit, die Fahrzeuge vorab vom Hersteller zu kaufen, um sie später weiterzuverkaufen, geht die Reduktion des Lagerbestands einher. Unmittelbar verfügbar müssen nur noch Vorführmodelle sein, um Kaufinteressenten z. B. eine Probefahrt zu ermöglichen.
Gewährleistung: Da der (vormalige) Autohändler nun nur noch als Agent bzw. Vermittler auftritt, geht die gesetzlich verpflichtende Händlergewährleistung auf den Hersteller über, da dieser ja nun tatsächlich auch als Verkäufer auftritt.
Keine Preiskämpfe: Im klassischen Modell gibt der Hersteller eine unverbindliche Preisempfehlung ab, auf deren Basis der Händler seinerseits einen Preis festlegt. Dem gegenüber steht die zentrale Preisgestaltung des Agenturmodells. Da der Hersteller gleichzeitig auch der Verkäufer ist, wird der Verkaufspreis entsprechend nun auch von ihm festgelegt. Daraus folgt, dass Händler sich nicht mehr mit ihren Mitbewerbern im Kampf um den besten Preis gegenseitig unterbieten müssen.
Für Kunden entfällt damit zwar auch die Möglichkeit, mit dem Händler/Agenten einen besseren Preis auszuhandeln, gleichzeitig bietet diese Variante ihnen aber auch bessere Transparenz, da sie nicht länger gezwungen sind, verschiedenste Preise miteinander zu vergleichen.
Nachteile und unechtes Agenturmodell
Die Nachteile des Agenturmodells ergeben sich insbesondere dann, wenn es sich um eine unechte Variante handelt.
Rabattaktionen: Da die Hersteller als Verkäufer nun auch die Preise gestalten, obliegt ihnen auch die Gestaltung von Rabattaktionen. Je nach Vereinbarung mit dem Autohaus kann es sein, dass die Kosten für die Rabatte auf die Händler abgewälzt werden. Anders gesagt: Der Händler/Agent bezahlt die Rabatte aus seiner Provision.
Restwertrisiko: In einem echten Agenturmodell wäre der Händler beim Vermitteln von Leasingfahrzeugen vom Restwertrisiko freigestellt. In einem unechten Modell kann es sein, dass der Hersteller einen Teil oder gar das ganze Risiko auf den Händler überträgt.
Gebraucht- und Vorführwagen: In einem echten Agenturmodell übernimmt der Hersteller die Kosten für die Vermarktung von Vorführwagen oder auch für die Inzahlungnahme von Gebrauchtwagen. In der unechten Variante kann es sein, dass der Hersteller auch diese Punkte zumindest zum Teil auf den Händler abwälzt.
Unechtes Agenturmodell generell schlechter?
Das unechte Agenturmodell ist nicht notwendigerweise von vornherein schlechter als die echte Variante. Tatsächlich haben Hersteller in der Vergangenheit Ausgleichszahlungen geleistet, um die vormaligen Händler und nunmehrigen Agenten vor Verlusten zu bewahren.